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Urban Stark - Reizende Ansichten                                                       

Urban Stark wurde 1962 in Tönisvorst geboren, hat ein Maschinenbaustudium absolviert und sich dann ab 2003 voll der Kunst gewidmet und darin autodidaktisch seinen Weg gefunden. Er ist nicht der klassische und ästhetisch ausgerichtete Maler und Fotograf, der mit dekorativen Formmitteln spielt oder auf die Schönheit der Farbe achtet. Viele seiner Werke sind realistisch geprägt, kompositorisch ausgewogen, aber dann doch verfremdet. Es findet sich eine Bildsprache, die im ersten Moment etwas plakativ wirkt, da sie ungewohnt mit Worten und mit Bildzeichen spielt. Daran zeigt sich, dass Urban Stark von seiner Intention her ein politisch denkender, um Aufklärung bemühter Mensch ist, der die Kunst und die künstlerischen Mittel, die er durchaus einzusetzen weiß, nutzt, um Aussagen zu treffen -  um das, was er in der Welt, im Verhältnis der Menschen untereinander und vor allem zur Umwelt, zur Stadt und zur Natur, wahrnimmt, deutlich zu machen. Er will dies in einer Weise deutlich machen, die nicht einfach nur ein Abbild ist, etwas wiedergibt, wie man das in der gängigen Fotografie oder einer Ansichtskarte findet. Bildgegenstände, die man erkennt, zuordnet und wieder ad acta legt. Sein durch formale Mittel beflügeltes Bestreben geht darüber hinaus. Überall findet man in den Objekten und Fotoarbeiten das Ei als Gegenstand und Motiv versteckt. Für den Künstler ist dies ein symbolhaftes Zeichen, fast ein  künstlerisches Piktogramm, das er benutzt, weil es ihm um das Sein, um das Verhältnis von Sein und Schein geht, um das Verhältnis des Lebens zur Umwelt und zur Kunst, das er durchaus als bedrohtes ansieht. Vom Wortspiel her ist das Ei das Zentrum des Wortes Sein und gleichzeitig ein Synonym für das Leben, für den Beginn des Lebens oder seine Vergeudung und Beschädigung im Spiegeleimotiv. Ob, wie er in einem Werk thematisiert, das Huhn oder das Ei am Anfang stand, das ist nicht klärbar, aber interessant und hier sind die Evolutionsbiologen gefragt. Daher wird das Ei immer wieder ... zum Thema gemacht, als verstörender Hinweis, als Verfremdungsmittel, als Hindernis für ein gefällig abbildliches Bildverständnis. Bilder von Möwen, in die ein Ei oder Spiegelei eincollagiert wird, wie im Eingangsbereich werden so verfremdet, dass man stutzt, ohne das dies direkt surrealistisch oder bizarr um seiner selbst willen ist. All diese Einfügungen in die Bilder dienen dazu, dass man über etwas nachdenkt, was damit mehr oder weniger direkt versinnbildlicht ist, selbst wenn es einfach nur das Verhältnis ist, wie man zum urbanen Umfeld steht, das einen umgibt.

Man findet Eier auch in den totemhaften Stelen mit ihrem plastischem Zeichencharakter und ihrer Mahnmalassoziation, die als herausgehobene Form vom Baum bis zum Wolkenkratzer seit jeher Aufmerksamkeit erheischt. Das Holz mit seinem leichten Wildwuchs steht dabei wieder für ein ursprüngliches Leben und das Naturhafte. Was ihn zu diesen Werken angeregt hat, ..."sind die"... Anglizismen, wie sie heute in überzogenem Maße vor allem in der Wirtschaft und im Managamentwesen gängig sind. Um dies zu verdeutlichen hat er aus den Baumstämmen einen gestapelten Turm von Buchstaben herausgeschlagen, die als Whynight, Whysmoke und Whywater ironisch klangassoziative Übersetzungen von Weihnacht, Weihrauch und Weihwasser sind und zugleich klanglich das Ei im Namen mitschwingen lassen, als eben ein durchgängies künstlerimmanentes Motiv. Diese Koppelungsstruktur von Worten, Buchstaben und Formbildungen hat er in anderen seriellen Gruppen weitergeführt. So findet sich eine spannungsreiche Form, die in ihrem Sockel aus den ineinander verdrehten Buchstaben HOT besteht und von einer salamiartig bemalten bogenförmigen Wurst bekrönt wird, die das ganze zum Wortbild eines "Hot dogs" ergänzt. In einer anderen Stele stellt das Wort Fearr - mit Doppel-R, wie in der Comicsprache- einen kleinen Punker dar, der mit seinem bunten Irokesenschnitt als anfänglich schockierend beängstigend empfunden wurde, als diese Neuerungen in der Jugendkultur noch provozierte. Es ließe sich auch noch ein kunstgeschichtlicher Bezug konstruieren zu einem Bild von Barnett Newman "Wer hat Angst vor Rot, gelb, blau", da auch die Stele mit dem Wort Love Bezug nimmt auf eine Pop-Art Bildikone von Robert Indiana mit seinem schraubenkopfhaften "O". Hier jedoch ist dies nicht fröhlich bunt und werbewirksam umgesetzt, sondern in ziegelhaften Schichten in blutrot und weiß mit Verweis auf die guten und schlechten Tage einer Ehe und der Veränderlichkeit auch von Liebe. Von ähnlich kritischer, distanzierter und schalkhafter Umdeutung erweist sich ein gesäßbetont gekrümmter Akt in Naturholz, der aus den Buchstaben POPO gebildet ist. Diese Entweihung einer gewissen hehren Erwartungshaltung der Kunst gegenüber dient dazu, mit Mitteln der Kunst eine erfrischende und andere Sicht auf die dargestellten Themen zu erwirken. Es ist die Oberflächlichkeit und die Oberfläche, die ihn interessiert. Das betrifft auch den Blick auf und die Wirkung von Oberflächen in der Fotografie und bei der chemischen Veränderung von Oberflächen, die er aus seinem früheren Berufsumfeld kennt, mit rostenden und angeätzten oder schimmelnden und verrottenden Materialien. Diese spannenden durch ein Wechselspiel zwischen Naturprozessen und menschlicher Einwirkung entstandenen Strukturen werden wieder mit dem Motiv  Ei und Spiegelei konfrontiert. In seinen seriellen Werken arbeitet er eine Fragestellung in mehreren Varianten ab. Dabei taucht auch das Schiff als Motiv immer wieder auf, als Gefährt der Lebensreise, als Gehäuse einer Gemeinschaft, als Boot, in dem wir alle gemeinsam sitzen, als gefährdete Nussschale menschlichen Daseins in einem unbeherrschten und unbeherrschbaren von überreichen Variationen geprägten Naturraum.
Urban Stark reagiert auf das, was er wahrnimmt, was er sieht und hört und liest und setzt sich mit diesen Beobachtungen schöpferisch auseinander. Im oberen Stockwerk ist es eine Fülle von Fotos in panoramahaftem Sehschlitzformat, die auf Reisen oder Pirschgängen durch die Umgebung festgehalten wurden. Auch hier findet er methodisch einen Weg, die übliche Lesart, den gewohnten Umgang mit Fotografien zu verfremden und zu irritieren, um über die (Wieder-)Erkennbarkeit des Motivs hinaus einen neuen Blick auf die Form- und Farbwirkung des Bildes zu initiieren und stärker auf seine atmosphärische Wirkung, seine inhaltliche Bezüglichkeit zu verweisen.
Das Urbane ist bei Urban Stark sehr stark. Es ist ein häufiges Bezugsfeld für seine Werke, die als Großfotografien (an den Erdgeschosswänden) Sequenzen aus dem urbanen Umfeld in vergrößerter Form zeigen, vor denen dann figürliche Elemente fast schwebend agieren. Durch Computertechnik hat Urban Stark in den neueren Collagen die figürlichen Elemente verfremdet. Durch Solarisationseffekte und durch bunte linienhafte Konturierung, wie man sie aus der Zeichnung kennt, ergibt sich eine Reduktion der Form. Das Persönlichkeitsrecht am Bild macht es schwer, einfach fremde Menschen zu fotografieren und für Bildzwecke zu verwenden. Wie schafft man es, Menschen nicht nur als Konturhülle und Physiognomische Form darzustellen, sondern als Träger von Emotionen, wenn man die dafür notwendige Mimik nicht realistisch darstellen darf. Hier wird Urbans Starks Technik wirksam. Durch das Fragmentieren in linienhafte und bunte Gerüststrukturen hat er einen eigenständigen Weg gefunden, Gebärde, Haltung und Ausdruck wirksam zu belassen, ohne, dass das Individuum als solches polizeidienstlich wiedererkennbar wäre. Durch die folienhafte Überblendung werden sowohl Individuelle Emotion, als auch reizvolle Umgebung eigenständig wirksam und so wieder der Mensch als nicht natürlicher Bestandteil seiner Umwelt bewusst gemacht, sondern diese Beziehung befragt.
Das nimmt auch auf die Kulissenhaftigkeit der Städte Bezug, auf den selektiven Blick, mit dem man Städte durchwandert, auf Strukturen von Baumaterialien, Hauskonstruktionen, Graffits und Werbung, die inzwischen als Kürzel für Stadtkultur synonym erscheinen, ja sogar jene Unwirklichkeit in Städten andeuten, die den künstlichen Bluescreenkulissen bei Fernsehmoderationen entsprechen und die Wirklichkeit in einer Scheinwelt verblassen lassen. Diese verdrängte Wirklichkeit möchte Urban Stark aber wieder entschleiern und mit künstlerischen Mitteln zu Bewußtsein bringen. In einer früheren Serie (im Konferenzsaal) ist dies noch durch blockhaft menschenfeindlich erscheinende Architektur als Ausschnitt und Collage verdeutlicht, der gegenüber Menschen kleine Oasen an Individualität und Lebensfreundlichkeit bilden, bzw. das Ei als Lebens-Fremdkörper optischen Widerstand bietet. Auch hier geht es nicht darum, eine beeindruckende oder erschreckend megalomane Architektur zu zeigen und in ihrer wüsten Eigenwilligkeit zu dokumentieren. Mit der Addition von Eimotiven oder anderen Resten lebendiger Natur wird diese Architektur in ein latent verstörendes Wechselverhältnis gesetzt mit dem Leben, so dass man dies nicht als Stadtlandschaft und bloße Wiedergabe ansieht, sondern als ein Landschaftsumfeld wahrnimmt, das das Leben beeinträchtigt. Diese reale Unwirtlichkeit mancher durchaus notwendiger Stätten, wie etwa ein Kraftwerk oder ein Parkplatz wird auf diese Weise befragt und wieder als Störfaktor oder Gegensatz zur Natur bewusst und in seiner Notwendigkeit und Formbildung hinterfragt. In vielen Fußgängerzonen wird der Blick durch Werbungen auf der Erdgeschossebene gehalten. In Gewerbegebieten gibt es zahllose unbehauste Zonen, in denen die Menschen, die dort arbeiten, es sich durch Provisorien etwas gemütlicher, erträglicher und lebensbejahender zu machen versuchen. Mit Elementen der eigenen Persönlichkeit, mit etwas eigenem, mit Farbe und mit Pflanzen versucht man, sich dort heimisch zu machen, wo Umfelder nicht im menschlichen Maßstab konzipiert sind. Das, was gewöhnlich und selbstverständlich ist, das nimmt man häufig kaum mehr wahr, aber es prägt das Leben immens. Darauf lenkt Urban Stark erneut den Blick. So nimmt man durch die Perspektive des Künstler die technische Überformung der Umwelt, die Skurilitäten, die  Schönheiten und die Einsamkeiten der Umgebung und nicht nur der touristisch markierten Gefilde in den Blick.
Durch Präsentation auf dem Kopf oder gegen die Lesrichtung, durch das Applizieren der Fotoleinwand auf einen Holzuntergrund, der der gängigen Komplettheit eines gerahmten Fotos entgegenläuft, sperren sich seine Fotos auch in ihrer Inszenierung formal gegen die Wahrnehmung als bloßes Abbild und typisches Erinnerungsfoto. Thema bleibt eben der Mensch in seinem Umfeld, das vom Menschen veränderte Umfeld, die Wiedergabe von Relikten, die von Eingriffen des Menschen künden.

Raffiniert Reizende Ansichten und zu Widerspruch reizende Ansichten über ein allgegenwärtig überformtes Leben.
 
Dr. Dirk Tölke (Aachen), im Februar 2011